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„Mehr unternehmerisches Denken in der Forschung“

12.01.2024 / Interview mit Professorin Maike Sander, Wissenschaftliche Vorständin des Max Delbrück Centers

Foto: Peter Himsel / Max Delbrück Center
Foto: Peter Himsel / Max Delbrück Center

Prof. Sander, wie fördert der Campus BerlinBuch die kommerzielle Verwertung von Wissen aus den Life Sciences?

Auf dem Campus Buch betreiben wir Grundlagenforschung in verschiedensten Disziplinen, die alle mit biomedizinischen Entdeckungen und Innovationen verknüpft sind. Dazu gehört die Forschung am Max Delbrück Center, am Experimental and Clinical Research Center (ECRC), am Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP), aber auch an der Charité und dem Berlin Institute of Health (BIH). Dieses Ökosystem ist ein intellektueller Inkubator für Ideen einschließlich ihrer medizinischen Anwendung. Es gibt hier schon einige Start-ups, die auf Entdeckungen auf dem Campus Buch zurückgehen. Die meisten haben sich einrichtungsübergreifend entwickelt. Das bekannteste Beispiel ist T-knife, entstanden aus dem Max Delbrück Center und der Charité. T-knife entwickelt mit Hilfe von T-Zell-Rezeptoren T-Zell-Therapien für solide Tumore. Das Unternehmen hat jetzt auch einen Standort in San Francisco. Zu den jüngsten Ausgründungen gehören MyoPax und CARTemis Therapeutics. Sie sind beide im Max Delbrück Center und der Charité beziehungsweise dem ECRC verwurzelt. MyoPax kombiniert Zell- und Gentechnologie, um Muskeln zu regenerieren und ihre Funktion wiederherzustellen. CARTemis wiederum leistet Pionierarbeit bei zellbasierten Immuntherapien für Krebserkrankungen, die bisher als un-heilbar galten. Unser Campus bietet nun mit dem BerlinBioCube die Infrastruktur, um diese vielversprechenden Spin-offs in unmittelbarer Nähe der Forschungsteams unterzubringen.

Sie sprechen hier das neue Gründerzentrum an. Welchen Beitrag kann es für den Wissenstransfer und die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft leisten?

Der BerlinBioCube bereichert unseren Campus gleich doppelt. Erstens bietet er Raum für aufstrebende Firmen. Die Nähe zu den Forschungsinstitutionen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Zweitens wird durch die Präsenz der Start-ups das unternehmerische Denken und Handeln auf dem Campus generell befördert. Wissenschaftler:innen sind meistens nicht darin geschult, einen Businessplan zu entwerfen und eine Firma zu gründen. Sie wissen oft auch nicht, was Investoren wichtig ist, oder was es braucht, um ein Diagnostikum, eine Technologie oder Therapie erfolgreich auf den Markt zu bringen. Mit den jetzt entstehenden Vernetzungsmöglichkeiten zwischen den Forschungsinstitutionen und den neuen, aufstrebenden Unternehmen, die sich im BerlinBioCube ansiedeln werden, können wir auf dem Campus voneinander lernen, und die Wissenschaftler:innen können sicherlich mehr Geschäftssinn und unternehmerisches Denken entwickeln.

Wie könnte man das Ausgründen aus der Forschung noch attraktiver gestalten?

Forscher:innen haben oft die Sorge, dass die Gründung eines Unternehmens sie von ihrer wissenschaftlichen Arbeit ablenken könnte. Viele Beispiele aus den USA und Israel zeigen aber, dass das gar nicht so sein muss. Oft sind es Doktorand:innen und Postdocs, die ausgründen, während die Forschungsgruppenleitung mit der nächsten Generation an der nächsten Innovation weiterarbeitet. Als Institutionen können wir die Kommerzialisierung unterstützen, indem wir zusätzliche Ressourcen bereitstellen, die den Forschenden helfen, ihre Technologien und Entdeckungen für die Gründung eines Start-ups anzupassen. Man muss sich also nicht zwingend entscheiden: Gründe ich eine Firma oder forsche ich weiter? Beides funktioniert!

Was können wir von Start-up-Hubs in den USA oder auch in Israel/Tel Aviv lernen?

Was diese Life-Science-Regionen auszeichnet und was wir in Berlin und Deutschland verstärkt aufbauen müssen, ist der enge Austausch zwischen Wissenschaftler:innen, Unternehmen und Investor:innen. Die erfolgreichen Hubs in den USA und Israel haben ein funktionierendes Ökosystem, in dem sich Akteur:innen aus diesen verschiedenen Welten regelmäßig treffen. In unseren wissenschaftlichen Einrichtungen fehlt es oft noch an unternehmerischem Denken. In den USA machen viele Wissenschaftler:innen inzwischen eine parallele Ausbildung. Die jüngere Generation will einen gesellschaftlichen Wert schaffen – auch indem sie ihre Entdeckungen kommerzialisiert. Hier können wir ansetzen, etwa indem wir Fortbildungen über Graduiertenschulen oder andere Kanäle anbieten. Dass der BerlinBioCube sich jetzt mit Leben füllt, könnte den Mentalitätswandel und den Austausch auf dem Campus enorm beflügeln. Eine weitere wichtige Komponente ist natürlich das Fließen von Investorengeldern. Hier müssen wir uns als Institutionen zusammenschließen, um internationalen Geldgeber:innen zu zeigen, wie viel wir zu bieten haben. Die Forschung in Berlin und Deutschland ist hochkarätig und leistungsstark, es geht also ganz sicher nicht um mangelnde Exzellenz am Anfang der Pipeline.

Wie kann die Forschung noch stärker von der Nähe zu den Biotech-Unternehmen profitieren?

Netzwerkveranstaltungen wirken als echter Verstärker. Letztendlich geht es um Menschen und darum, dass wir voneinander lernen und uns gegenseitig inspirieren.

Quelle: Interview: Jutta Kramm / Max Delbrück Center. Das Interview erschien zuerst im Standortjournal buchinside 02/2023.
Jetzt die Ausgabe 2/2023 des Standortjournal buchinside lesen.

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