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Wie Immunzellen kommunizieren
07.08.2025 / Mit einer neuen Technologie können Forschende die Kommunikation der Immunzellen entschlüsseln – und ablesen, wie unser Körper auf Infektionen reagiert, Fehlfunktionen zu Autoimmunleiden führen und warum Immuntherapien nur manchen Menschen helfen. Das berichtet ein Team um Simon Haas in „Nature Methods“.
Ein gesundes Immunsystem ist darauf trainiert, Infektionen und Krebszellen zu erkennen und zu zerstören. Diese Abwehr beruht auf einem komplexen Kommunikationssystem auf zellulärer Ebene, in dem verschiedene Immunzellen jeweils eine spezialisierte Aufgabe erfüllen: Infektionserreger erkennen, andere Immunzellen darauf aufmerksam machen und schädliche Zellen oder Erreger beseitigen. Problematisch wird es, wenn die Kommunikation zwischen verschiedenen Zelltypen gestört ist. Dann kann es zu einer Vielzahl von Krankheiten kommen.
In „Nature Methods“ stellt nun ein interdisziplinäres Team aus Wissenschaftler*innen des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), des Max Delbrück Center, des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Heidelberg Institute for Stem Cell Technology and Experimental Medicine (HI-STEM) und der Queen Mary University in London, UK, eine neue Technologie vor, die diese Kommunikation belauschen kann.
Vorhersagen, wer von einer Immuntherapie profitiert
Krebszellen zum Beispiel entwickeln häufig Strategien, um den Informationsaustausch im Immunsystem gezielt zu stören oder zu umgehen – auf diese Weise können sie der Immunüberwachung entgehen und ungehindert wachsen. „Moderne Immuntherapien haben die Behandlung bestimmter Krebsarten grundlegend verändert, indem sie die Kommunikation zwischen Immunzellen wiederherstellen oder gezielt verstärken“, erklärt Professor Simon Haas, ein Letztautor der Studie.
Haas leitet eine Arbeitsgruppe im gemeinsamen Forschungsfokus „Single-Cell-Ansätze für die personalisierte Medizin“ des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), des Max Delbrück Center und der Charité – Universitätsmedizin Berlin und ist außerdem Chair für Einzelzelltechnologien und Präzisionsmedizin am Precision Healthcare University Research Institute (PHURI) der Queen Mary University London. Sein Labor ist am Berliner Institut für Medizinische Systembiologie des Max Delbrück Center (MDC-BIMSB) angesiedelt.
Dr. Daniel Hübschmann, ebenfalls Letztautor und Gruppenleiter am Heidelberg Institute for Stem Cell Technology and Experimental Medicine (HI-STEM) ergänzt: „Allerdings sprechen nicht alle Patient*innen gleichermaßen gut auf diese Therapien an. Bislang fehlen verlässliche Methoden, um vorherzusagen, welche Patient*innen besonders davon profitieren werden.“
Eine Basis für maßgeschneiderte Krebstherapien
In Kooperation haben die Wissenschaftler*innen eine Technologie entwickelt, die dank eines besseren Verständnisses von Immunzell-Kommunikation viele dieser Hürden überwindet. Mit dieser Methode kann man Millionen von Zell-Zell-Interaktionen schnell und kostengünstig messen, sowohl in Forschungslaboren als auch in der Klinik.
Ermöglicht wurde die innovative Entwicklung durch eine enge interdisziplinäre Kooperation über die klassischen Grenzen von Medizin, Informatik und Biowissenschaften hinweg – maßgeblich getragen von den Doktorand*innen und Erstautor*innen Dominik Vonficht, Lea Jopp-Saile, Schayan Yousefian und Viktoria Flore. Die Wissenschaftler*innen nutzten die neu-entwickelte Technologie, um das Verhalten und die Kinetik von Immuntherapien zu untersuchen und Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie diese Therapien auf der Ebene der Zell-Zell-Interaktionen wirken. Dabei konnten sie zeigen, dass der Ansatz auch die Vorhersage individueller Therapieansprechen ermöglicht und somit eine zentrale Grundlage für personalisierte Immuntherapien und gezielte Therapieentscheidungen schaffen kann.
Darüber hinaus konnten Wissenschaftler*innen mithilfe ihrer neuen Technologie hochaufgelöst darstellen, wie Zellen des Immunsystems bei Virusinfektionen und Autoimmunerkrankungen miteinander interagieren. Auf dieser Grundlage entwickelten sie dynamische Karten der Immunzellnetzwerke. Sie veranschaulichen erstmals, wie die Immunabwehr in verschiedenen Geweben koordiniert wird.
Gemeinsam mit klinischen Partnern arbeitet das Team nun daran, diese Erkenntnisse aus der translationalen Forschung in die Praxis zu bringen, etwa um Behandlungserfolge besser vorherzusagen und personalisierte Therapien gezielter einzusetzen.
Weiterführende Informationen
AG Haas
Forschungsfokus „Single-Cell-Ansätze für die personalisierte Medizin“
Wenn der Blutkrebs erstmals streut
Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft legt mit seinen Entdeckungen von heute den Grundstein für die Medizin von morgen. An den Standorten in Berlin-Buch, Berlin-Mitte, Heidelberg und Mannheim arbeiten unsere Forschenden interdisziplinär zusammen, um die Komplexität unterschiedlicher Krankheiten auf Systemebene zu entschlüsseln – von Molekülen und Zellen über Organe bis hin zum gesamten Organismus. In wissenschaftlichen, klinischen und industriellen Partnerschaften sowie in globalen Netzwerken arbeiten wir gemeinsam daran, biologische Erkenntnisse in praxisnahe Anwendungen zu überführen – mit dem Ziel Frühindikatoren für Krankheiten zu identifizieren, personalisierte Behandlungen zu entwickeln und letztlich Krankheiten vorzubeugen. Das Max Delbrück Center wurde 1992 gegründet und vereint heute eine vielfältige Belegschaft mit 1.800 Menschen aus mehr als 70 Ländern. Wir werden zu 90 Prozent durch den Bund und zu 10 Prozent durch das Land Berlin finanziert.
Quelle: Pressemitteilung Max Delbrück CenterWie Immunzellen kommunizieren