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Zwei ERC-Consolidator-Grants für MDC-Forscher

17.03.2022 / Wie kann ein Herz sich selbst heilen? Und wie entscheidet sich, welches Geschlecht ein Lebewesen hat? Der Europäische Forschungsrat ERC zeichnet Dr. Jan-Philipp Junker und Dr. Darío Lupiáñez mit Consolidator Grants aus. Damit verbunden ist eine Förderung in Höhe von zwei Millionen Euro über fünf Jahre.

Darío Lupiáñez im Labor. Foto: David Ausserhofer / MDC
Darío Lupiáñez im Labor. Foto: David Ausserhofer / MDC
Jan-Phillipp Junker erforscht die Regenerationsfähigkeit des Zebrafisch-Herzens. Foto: Pablo Castagnola / MDC
Jan-Phillipp Junker erforscht die Regenerationsfähigkeit des Zebrafisch-Herzens. Foto: Pablo Castagnola / MDC

Im Labor sind sie Nachbarn, jetzt können sie auch gemeinsam feiern: Der Europäische Forschungsrat ERC zeichnet Dr. Jan-Philipp Junker und Dr. Darío Lupiáñez jeweils mit einem Consolidator Grant aus. Die beiden Juniorgruppenleiter am Berliner Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB) des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) gehören damit zu 61 Preisträger*innen aus Deutschland. Insgesamt hatten sich dieses Mal 2.652 Forscherinnen und Forscher aus ganz Europa beworben, 313 waren erfolgreich. Die begehrte Auszeichnung ist mit einer Förderung in Höhe von zwei Millionen Euro über fünf Jahre verbunden. Die klügsten Köpfe können damit ihren Ideen freien Lauf lassen und ihre Projekte voranbringen.  

Für Jan-Philipp Junker ist es bereits die zweite ERC-Förderung. „Dabei geht es nicht nur um Geld, ein ERC bringt auch Sichtbarkeit. Und man kann größer denken, hat mehr Flexibilität“, sagt der Leiter der Arbeitsgruppe „Quantitative Entwicklungsbiologie“. Junker forscht seit 2015 am MDC. Mit „Heart States“ will er untersuchen, wie sich die verschiedenen Zellen im Zebrafisch-Herzen zeitlich und räumlich so koordinieren, dass sich das Organ selbst heilen kann. „Das Herz ist für uns auch ein Modell: Wie reagiert ein komplexes System auf eine Störung?“ 

Dass die dreidimensionale Struktur des Genoms Auswirkungen auf die Biologie eines Organismus hat, hat Darío Lupiáñez bereits als Postdoktorand gezeigt. „Damals waren wir die ersten, die einen Zusammenhang nachgewiesen haben“, sagt Leiter der Arbeitsgruppe „Epigenetik und Geschlechtsentwicklung“. Seit 2017 forscht er am MDC, mit „3D-Revolution“ will er abermals Pionierarbeit leisten. Ihn interessiert, wie sich die Verpackung des DNA-Strangs in den Zellkern bei verschiedenen Arten auf die Geschlechtsentwicklung auswirkt. „Wir wollen die molekularen Mechanismen verstehen, die den Arten eine Anpassung an ihren Lebensraum ermöglichen und ihre Evolution antreiben“, sagt er. Sein Projekt wird er ab 2023 als Forschungsgruppenleiter am Andalusischen Zentrum für Entwicklungsbiologie (CABD) in Sevilla weiterführen. 

Die Projekte im Detail: 

Das Zebrafisch-Herz heilt sich selbst

Wenn ein Mensch einen Herzinfarkt hat, bleibt Narbengewebe zurück. Das Organ kann sich nicht vollständig erholen. Beim Zebrafisch ist das anders. Wird das Herz des Tieres verletzt, heilt es sich selbst. Dieses Kunststück würde die Medizin gern kopieren – zumindest teilweise. Doch der Weg dahin ist lang. Zuerst gilt es, den Prozess grundlegend zu verstehen.

Jan Philipp Junker untersucht mit seinem Projekt „Heart States“, wie es die verschiedenen Zellen im Herzen schaffen, sich zeitlich und räumlich so zu koordinieren, dass sie die Organfunktion wiederherstellen können. „Wir haben zum Beispiel eine Art molekulare Zeitmaschine entwickelt“, sagt er. Damit kann sein Team nachvollziehen, welche Gene die Zellen zu zwei verschiedenen Zeitpunkten abgelesen haben. „Diese Daten zeigen uns, welche Zelltypen beim Zebrafisch in welchem Umfang auf die Verletzung des Herzens reagieren und vorübergehend in einen aktivierten Zustand übergehen.“  

In einem zweiten Schritt analysieren Junker und seine Kolleg*innen, was dabei innerhalb der jeweiligen Zellen passiert: Welche Mechanismen lösen die Aktivierung aus und welche Programme werden durch die Änderung des Zellzustands angeschaltet? Der dritte Schritt betrifft die Koordination der Zellen untereinander. „Um die Heilung des Herzens zu orchestrieren, müssen die Zellen miteinander kommunizieren“, sagt Junker. „Und dazu müssen wir wissen, welche Zellen eigentlich benachbart waren, ob Rezeptoren und Liganden sich räumlich nah waren.“ Nach und nach will Junkers Team die entscheidenden Schalter herausfiltern und ihre Rolle in Experimenten bestätigen – und den ersten umfassenden Überblick erstellen, wie Zellzustände zur Regeneration eines komplexen Organs führen.

Ein erwachsenes Organ wie das Herz sei für ihn auch ein Wagnis, sagt Junker. „Ich komme ja aus der Entwicklungsbiologie. Umso dankbarer bin ich Daniela Panáková, die schon lange am Zebrafisch-Herz forscht und uns mit ihrem Wissen und ihren Ideen sehr bei der Konzeption geholfen hat.“ Das Projekt passe perfekt zum MDC. Systemmedizin mit Schwerpunkt Herz – dafür finde man hier alle Kooperationen: für bioinformatische Analysen, räumliche Transkriptomik und auch für die Kardiologie beim Menschen. „Das Regenerationspotenzial beim menschlichen Herzen zu wecken, wäre natürlich großartig“, sagt Junker. Doch vorher stünden sicherlich Maus-Experimente an: Vielleicht bekommt ja das Säugetierherz die richtigen Signale, kann aber nicht mehr darauf reagieren?

Geschlechterfrage fasziniert Menschen seit 3000 Jahren

Ein Labor weiter schaut sich Darío Lupiáñez ebenfalls ein Phänomen an, das im Tierreich mitunter völlig anders funktioniert als beim Menschen. „Mit unserem Projekt 3D-Revolution versuchen wir eine Frage zu beantworten, die die Menschheit seit fast 3000 Jahren fasziniert: Wie wird das Geschlecht eines Individuums bestimmt“, sagt Lupiáñez. Die Hochkulturen der Antike griffen auf Mythologie zurück. „Wir nutzen jetzt die Genetik.“ 

Die Evolution hat zahlreiche Wege gefunden, um das Geschlecht zu bestimmen – und das berühmte Y-Chromosom gibt es nur bei Säugetieren. Bei Vögeln sind es die Weibchen, die über das entscheidende Chromosom verfügen. Bei Amphibien wie Fröschen sind die Geschlechtschromosomen dagegen nicht gut differenziert. Und in extremeren Fällen, wie bei Schildkröten, kann die Temperatur den Ausschlag geben, ob ein Embryo männlich oder weiblich sein wird. „Dieser Prozess ist offenbar einer raschen Evolution unterworfen. Wir werden uns die 3D-Organisation der Genome ansehen, um zu verstehen wie er auf molekularer Ebene abläuft“, sagt Lupiáñez. 

In jedem Zellkern, der etwa 200-mal kleiner als ein Stecknadelkopf ist, ist ein zwei Meter langer Erbgutfaden verpackt. Er hält trotzdem alle Informationen auf Abruf bereit, die ein Organismus zu seiner Entwicklung und seinem Fortbestehen benötigt. „Die Verpackung ist alles andere als zufällig“, sagt Lupiáñez. „Wir haben gezeigt, dass die die dreidimensionale Struktur des Genoms Auswirkungen auf die Regulation der Gene hat und zu bestimmten Krankheiten führen kann. Die Veränderungen können aber auch zur Evolution einer Art beitragen, zu einer besseren Anpassung an ihre Umwelt.“

Er und sein Team werden sich genau jenen Zeitpunkt in der Entwicklung von Säugetieren, Vögeln, Amphibien und Schildkröten anschauen, an dem sich das Geschlecht entscheidet. Sie werden die Daten durchforsten und vergleichen, inwieweit die genregulatorischen 3D-Landschaften übereinstimmen und was sich im Laufe der Evolution verändern kann. „Das ist wirklich Neuland, niemand hat sich das bisher angeschaut“, sagt Lupiáñez. Denn Forscher*innen hatten bisher nur begrenzte Möglichkeiten, das Genom zu lesen, zu interpretieren und zu verändern. „Jetzt haben wir neue Werkzeuge, um Genomvarianten mit Phänotypen zu verbinden. Und die Förderung des ERC wird es uns ermöglichen, unsere Forschung auf eine breitere Basis zu stellen. Ich bin meinem Team unendlich dankbar. Alle haben sich sehr engagiert, um die notwendigen vorläufigen Daten zu erstellen.“

Weiterführende Informationen

Pressemitteilung des ERC

AG Junker 

Porträt: Wie Zellen Entscheidungen treffen

AG Lupiáñez

Darío Lupiáñez wird EMBO Young Investigator

Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft gehört zu den international führenden biomedizinischen Forschungszentren. Nobelpreisträger Max Delbrück, geboren in Berlin, war ein Begründer der Molekularbiologie. An den MDC-Standorten in Berlin-Buch und Mitte analysieren Forscher*innen aus rund 60 Ländern das System Mensch – die Grundlagen des Lebens von seinen kleinsten Bausteinen bis zu organübergreifenden Mechanismen. Wenn man versteht, was das dynamische Gleichgewicht in der Zelle, einem Organ oder im ganzen Körper steuert oder stört, kann man Krankheiten vorbeugen, sie früh diagnostizieren und mit passgenauen Therapien stoppen. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung sollen rasch Patient*innen zugutekommen. Das MDC fördert daher Ausgründungen und kooperiert in Netzwerken. Besonders eng sind die Partnerschaften mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin im gemeinsamen Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und dem Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité sowie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Am MDC arbeiten 1600 Menschen. Finanziert wird das 1992 gegründete MDC zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent vom Land Berlin. www.mdc-berlin.de 

Quelle: Pressemitteilung MDC
Zwei ERC-Consolidator-Grants für MDC-Forscher

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